„Niemals rennen!“
Im Süden Südtirols (VI/Schluss): Amtliche Verhaltenstipps bei möglichen Bärensichtungen haben ihren Grund
Von Günther Koch/Life-Magazin

Dieses amtliche Bärenfoto macht nahe Kaltern auf die Möglichkeit einer Begegnung aufmerksam. Foto: Koch
Kalterrn – Die nächste Wanderung. Südtirol eignet sich, egal in welcher Region, besonders dafür. In Kaltern, hoch oben über dem gleichnamigen See, geht es auf der Straße Richtung Eppan zunächst bis Oberplanitzing. An der Ruine des Georgsturms am Ortsausgang biegen wir in den ansteigenden Wald ab, schließen uns einer kleinen Gruppe von ebenfalls Wandernden an. An einer Weggabelung hinter den Eislöchern am Gandberg, einem lokalen Kaltluftgebiet, in dem die Temperatur deutlicher abweicht als sonst in der Umgebung, sind wir auf einmal allein, weil wir uns für einen anderen Weg durch den Wald entschieden haben. Zum Schloss und zur Villa Matschatsch.
Arendt, Luxemburg, Stein, Weil
Es ist still. In Höhe des Steineggers kommt uns lediglich ein Mountainbiker entgegen, der seine Sonnenbrille verloren hat und auf der Suche nach ihr ist. Auch bei der aus vier bronzenen Frauenbüsten bestehenden Skulpturen-Gruppe von der Philosophin über die Vertreterin der europäischen Arbeiterbewegung und die Ordensschwester bis hin zur Sozialrevolutionärin findet sie sich nicht. Die bekannten Damen jedenfalls – Hannah Arendt, 1906-1975, „widerstandsfähig“, Rosa Luxemburg, 1871-1919, „gesellschaftskritisch“, Edith Stein, 1891-1942, „wahrheitssuchend“ und Simone Weil, 1909-1943, „gerechtigkeitsliebend“ – gucken alle nur irgendwie belustigt in die Luft; die Beschreibungen hinter den Namen und Jahreszahlen stehen übrigens genauso auf den Büsten. Der Weg steigt langsam weiter an. Auf einer Lichtung oben am Stamm eines Baums ein Plakathinweis in deutscher und italienischer Sprache, der besagt: „Was tun, … Cosa fare, …“ Daneben ein Foto von einem ausgewachsenen – Braunbären.
Die Georgsturm-Ruine bei Oberplanitzing. Die Eislöcher im Wald des Kalterer Ortsteils.
Sogar schon mehrfach in Talsohle
Erst 2023 wieder hat die Nachricht die Runde gemacht, dass in den vergangenen Jahren Bären regelmäßig in Mischwäldern und Gebirgsregionen unterwegs gewesen seien, etwa vom Mendelkamm, Ziel unserer Wanderung zuvor, über Ulten und die Vinschger Nörderseite bis ins Engadin im Schweizer Hochtal im Kanton Graubünden. Sie hätten sogar schon mehrfach die Talsohle des Südtiroler Etsch- und Eisacktals durchquert, seien so weiter nach Norden gewandert, hieß es. 2024 dann hat die Meldung aufhorchen lassen, dass in Gebieten wie Barbian, Villanders, Deutschnonsberg, erneut Ulten, Völlan und im Sarntal Bärenspuren entdeckt worden seien und die jüngste Beobachtung vom Ritten stamme, „wo ein Bär die Straße überquert hat“. Im selben Jahr soll ein Mann allein in den Wäldern oberhalb von Marazzone, Cavaione und Rango in Gemeindegebiet von Bleggio Superiore in der Region Trentino-Südtirol auf Pilzsuche gewesen sei, „als er plötzlich auf das Tier stieß“, einen Bären.
Die Wanderwege sind gut beschildert. Vier bronzene Frauenbüsten mitten im Wald.
Alles eher sporadische Nachweise
In Südtirol werden Bären, die Einzelgänger und meist dämmerungs- oder nachtaktiv sind, sporadisch nachgewiesen, darunter neben dem Grenzgebiet zum Trentino etwa auch im Pustertal. Behörden wie das Amt für Jagd und Fischerei in der Region um den Kalterer See schätzen die Wahrscheinlichkeit, einem Bär in freier Natur zu begegnen, gering ein, da Bären von Natur aus scheu seien und Menschen in der Regel aus dem Weg gingen. Trotzdem könne es in bestimmten Regionen zu Begegnungen kommen. Wichtige amtliche Verhaltensregeln lauten:
Die Wälder in der Region scheinen noch dicht bewachsen. Der Bär vom Warnplakat.
„Sind viel schneller als wir!“
Wenn man einen Bär sieht: Mit möglichst natürlichem Reden auf sich aufmerksam machen und sich langsam zurückziehen. „Niemals rennen, Bären sind viel schneller als wir!“ Wenn sich ein Bär nähert: „Ruhe bewahren!“ Rucksack oder Kleidungsstücke liegen lassen, um den Bär abzulenken, und sich wiederum langsam zurückziehen. Wenn sich ein Bär aggressiv verhält: Sich auf den Bauch legen und mit Händen oder Rucksack den Nacken schützen. Gefährlich werden könne demnach eine Bärin mit Jungem, ein verletzter Bär, einer, der beim Fressen oder in der Winterruhe gestört werde oder dem ein Hund zu nahe komme. Um Begegnungen zu vermeiden, raten die Ämter, auf den Wanderwegen zu bleiben, mit Sprechen und unaufgeregtem Lärm auf sich aufmerksam zu machen, den Hund an die Leine zu nehmen, keine Essensreste oder Abfälle liegen zu lassen - und sich beim Entdecken von Bären oder Bärenspuren wie Tatzenabdrücken oder Kot den genauen Fundort zu notieren und sofort das Amt zu verständigen.
Eher an der Grenze zum Trentino
Alles in der konkreten Situation freilich manchmal leichter gesagt als getan. Die Südtiroler jedenfalls scheinen zu wissen, worum es geht. Bis hin zum Junghotelier in Kaltern, der von Bären „eher weniger auf unserem Hausberg Mendel, aber doch wohl mehr im Hinterland an der Grenze zum Trentino“ spricht. Hinzu kommt, dass es zwischenzeitlich offenbar auch schon gesammelte Nachweise und Absprachen mit Nachbarprovinzen gegeben hat, wonach in Südtirol mittlerweile mindestens sieben Wolfsrudel bestätigt worden sind. Drei davon hätten ihr Territorium hauptsächlich in der Provinz Bozen. Bei den restlichen handele es sich um provinzübergreifende Rudel.
Lesen Sie auch
Das Designhotel Panorama & Dependance Mehr „Der mediterrane Teil“ – eine Einführung in die Region Mehr „See, Berg, Dorf“ – Interview mit Jung-Hotelier Markus Huf über den Tourismus in der Region Mehr „Gletscher- & Minnemann“ – ein Besuch in der Südtiroler Landeshauptstadt Bozen Mehr Hoch zum Kalterer Hausberg Mendel– per Seilbahn Mehr
Info Südtirol I
Die (zusammen mit Bozen) autonome Provinz Südtirol, 1919 zu Italien gekommen, ist die nördlichste des Landes. Sie grenzt an Österreich, an Nord- und Osttirol, dann an Venetien und die Lombardei sowie an den Schweizer Kanton Graubünden, ist 7400 Quadratkilometer groß, zählte zuletzt mehr als 532 600 Einwohnerinnen und Einwohner, die vor allem Deutsch und Italienisch, in wenigen Gegenden aber auch sogar noch Ladinisch sprechen. Landeshauptstadt ist Bozen, höchster Berg mit 3343 Metern die Marmolata, wichtigster Fluss die Etsch. Das Klima ist kontinental, meist gemäßigt und angenehm mild, im Sommer nicht zu warm, im Winter nicht zu kalt, in höheren und höchsten Lagen wie den Dolomiten dann aber doch alpin. Beste Reisezeiten sind Frühling, Sommer und – nicht zuletzt wegen der Weinlese – Herbst.
Info Südtirol II
Kulinarische Spezialitäten reichen etwa von Speck und Knödel über Ravioli-ähnliche Schlutzkrapfen sowie die einer gemischten Wurst-, Schinken-, Käseplatte ähnliche Marende mit Schüttelbrot bis hin zum bekannten Strudel und Kaiserschmarrn. Südtirol ist Weinland. Dazu gehören im Süden Südtirols etwa die weißen Vernatsch, der Lagrein-Rosé und der Rote vom Kalterer See. Mit dem im Zimmerpreis der teilnehmenden Betriebe enthaltenen Gästepass ist es möglich, auch in Kaltern und an der Weinstraße öffentlichen Verkehrsmittel wie die Mendelbahn kostenlos zu nutzen. Information: Südtirol-Tourismus, Pfarrplatz 11, 39100 Bozen, Südtirol/ItalienTelefon 0039-(0)-471094000, www.suedtirol.info.
Info Kaltern
Als Möglichkeit zur Einquartierung empfehlen können wir für einen Aufenthalt im Süden Südtirols in Kaltern das Designhotel Panorama & Dependance (vier Sterne, 38 Zimmer/Suiten, noch oberhalb des dörflichen Zentrums gelegen mit Blick auf die Marktgemeinde und die andere Talseite gegenüber, inspiriert von der örtlichen Weinkultur, Motto „Zwischen Design und Wein“, genauso modern-minimalistisch wie praktisch-funktionell, dank Eichenholz-Verwendung helle und freundlich-gemütliche Anmutung, Spa sowie Pool-Garten mit mediterraner Vegetation, www.designhotel panorma.com). An Lokalitäten mit besonderem Charakter bieten sich in Kaltern die Jausenstation Drescherkeller am Maria-von-Buol-Platz 3, das Landgasthaus Gasthaus Schwarzer Adler am Krumbachweg 15 und der Torgglkeller am Bichl 2 an. Information: Tourismusverein, Marktplatz 8, 39052 Kaltern am See, Südtirol/Italien, Telefon 0039-(0)-471963169), www.kaltern.com.
Service Anreise I
Wer mit dem Auto aus Deutschland anreist: Für die Strecke ab Innsbruck nach Kaltern über die Brennerautobahn A22, Ausfahrt Bozen-Süd, Ausfahrt Eppan und dann weiter die Weinstraße entlang sollte man noch etwa 135 Kilometer oder eindreiviertel Stunden Fahrzeit einplanen. Über den Reschenpass geht’s über Meran und Bozen. Auch Busverbindungen von Deutschland aus gibt es. Bozen ist Bahnknotenpunkt. Von dort verkehren Busse dann regelmäßig nach Kaltern. Nächstgrößere Flughäfen über Bozen hinaus sind auch mit internationalen Verbindungen Innsbruck, Bergamo und Verona.
Service Anreise II
Ein Aufenthalt im oberbayerischen Lenggries bei Bad Tölz hat unsere in diesem Fall relativ lange Anreise von fast 720 Kilometern wenigstens auf zwei Tage verteilt. Der 10 500-Seelen-Voralpenort wartet mit Geierstein (1491 Meter), Brauneck (1556 Meter), Eng-Alm (1277 Meter), Heimatmuseum, Schloss Hohenburg, dem letzten bestehenden Lenggrieser Kalkofen, dem Barock der Jakobs- und der Moderne der Waldkirche sowie dem Sylvensteinspeicher auf. Einzel-/Doppelzimmer sind aktuell ab 55/85 Euro pro Person/Nacht zu haben im Gästehaus Heiß (www.gaestehaus-heiss.de), einem altes Flößerhaus aus dem Jahr 1619 im urig-gemütlichen Landhausstil.
KoCom/Fotos: Günther Koch
12. August 2025







