Mit leichter Kraft
Fiat (II): Der kleine Topolino ist aber kein Auto / 8,2-PS-Zweisitzer darf auch nur bis Tempo 45 schnell fahren
Von Günther Koch/Life-Magazin
Den Topolino kann man mit Führerscheinklasse AM schon ab 15 fahren. Fotos: Koch
Frankfurt/Main – Erst Citroën Anfang 2021 mit dem Ami, dann Opel gegen Ende des Jahres mit dem Rocks-e: Jetzt ist, als dritte Marke des Stellantis-Konzerns, auch Fiat mit dem Topolino an den Start gegangen. „Auch das ist kein Auto“, sagt Fiat-Deutschland-Produktfrau Vanessa Schwalm jedoch gleich zu Beginn der Fahrvorstellung gerade in der Frankfurter Klassikstadt, „es ist ein Leichtkraftfahrzeug“, dessen Einstiegspreis bei 9890 Euro beginnt.
Blick auf die Frontpartie mit dem Markenschriftzug vorn.
In Marokko gebaut
Den Topolino hat es damals, auf Basis des kleinen Fiat 500, des Cinquecento, von 1936 bis 1955 schon einmal gegeben. Bei der in Marokko gebauten Neuauflage handelt es sich, weitgehend identisch mit den beiden Citroën- und Opel-Pendants, um einen vollelektrischen Zweisitzer. Auch er sieht von vorn fast so wie von hinten aus, fährt mit nur 2,53 Metern Länge vor, ist 1,53 Meter hoch und 1,40 Meter breit. Sein Radstand beträgt 1,73 Meter. Der Wendekreis, ebenfalls ein Vorteil, misst lediglich 7,2 Meter. Als Stauvolumen geben die Italiener immerhin doch noch 63 Liter an.
Vorn sind kleine Rundscheinwerfer verbaut. Per Druckknopf geht’s ins Innere.
Schnörkellos puristisch
Die Beifahrertür schwingt nach vorn, die Fahrertür nach hinten auf; sie lassen sich nur mit Schlaufen schließen. Innen geht es mit viel Plastik schnörkellos-puristisch zu. Keine Klimaanlage, nur eine laute Lüftung. Das Cockpit bleibt aufs Wesentliche beschränkt. Infotainment gibt es nicht. Dafür ist ein kleines Schwarz-Weiß-Display mit Informationen etwa über Tempo und Ladezustand der Batterie da. Das Handy lässt sich mit dem USB-Port verbinden. Ein Bluetooth-Lautsprecher komplettiert die „rollende Party-Box“. Die versetzt nebeneinander angebrachten Sitze sind sparsam gepolstert, erhöhen die Beinfreiheit beim Beifahrer, ermöglichen zudem einen größeren Verstellbereich beim Fahrer. Ein Fach hinter den Sitzen hält weiteren Platz zum Beispiel für eine Sporttasche bereit. Die Kopffreiheit ist sehr gut. Für lichte und soweit recht angenehme Atmosphäre sorgt neben den größeren Fenstern das Serien-Panorama-Glasdach.
Blick ins einfach gestaltete Cockpit. Temposchild und Gepäckträger hinten.
Drei Fahrprogramme
Leer bringt das Elektro-Leichtgewicht 410 Kilo auf die Waage. Beim 8,2-PS-Antrieb mit 44 Newtonmetern Drehmoment handelt es sich, kombiniert mit Ein-Gang-Automatik, um einen vollelektrischen mit – Nennwert – 5,4-Kilowattstunden-Batterie. 45 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit genügen für den Stadtverkehr. Etwa zehn Sekunden dauert es, bis man auf diese Geschwindigkeit beschleunigt hat. Die Reichweite findet sich mit bis zu 75 Kilometern so zumindest im Datenblatt. Vorn sind Einzelradaufhängung und Scheibenbremsen vorhanden, hinten Verbundlenkerachse und Trommelbremsen. Ein regeneratives Bremssystem ist an Bord. Die elektrische Lenkung ist servounterstützt. Die drei Fahrprogramme heißen Drive (für Vorwärts), Neutral und Reverse (für Rückwärts). Die Ladezeit beträgt laut Fiat vier Stunden bei 2,3 Kilowatt Wechselstrom komplett von 0 auf 100 Prozent. Ein drei Meter langes Ladekabel ist fest in der Beifahrertür untergebracht. Wer will, kann optional einen Adapter zum Stromladen an öffentlichen Ladesäulen ordern.
Modellschriftzug hinten. Heck-/Seitenansicht des puristischen Zweisitzers.
Geschlossen oder offen
Ein Design. Eine Farbe. Zwei Versionen. Bei allem Purismus: Als Besonderheiten hebt Schwalm unter anderem Verdeck, Taschenhaken, Verstaunetze, Sicherheitstaue (!), wenn die Türen herausgenommen sind, und Smartphone-Halterung hervor. Das Zubehör reicht etwa vom Heckgepäckträger über Koffer, „Sitzauflage (Handtücher)“, Sonnenschutz und Thermosflasche bis hin zum Ventilator. Vernetzung und Apps sind fast schon selbstverständlich. Knapp 1000 Bestellungen liegen laut Schwalm bereits vor. Das neue Verkaufskonzept besteht aus „100 Prozent digital“ und Online-Direktvertrieb. Die monatliche Rate beläuft sich auf 49 Euro bei 1500 Euro Anzahlung. Zielgruppe sind jugendliche Fahranfänger, die den Topolino mit Führerscheinklasse AM schon ab 15 Jahren bewegen dürfen, Eltern, Rentner und Stadtrandpendler. Er schließt die Lücke zwischen Elektro-Motorroller und Elektro-Pkw. Preislich sortiert er sich zwischen E-Scooter, E-Bike, E-Motorroller und Microcar- oder Kleinwagen-Anbietern im entsprechenden Segment ein. Es gibt offene und geschlossene Versionen mit Dolce-Vita-Zubehör, das südliches Flair versprüht. Schwalm spricht von einem „frischen und umweltfreundlichen Fortbewegungsmittel“, einem „Design mit Erinnerungswert“ und einem Drittel des Platzbedarfs eines normalen Autos.
Hinten sind vertikale Rückleuchten verbaut. Den Ventilator gibt’s als Zubehör.
Ans Fahren erst gewöhnen!
An das Unterwegssein auch mit einem solchen Fahrzeug, dass fahrwerksmäßig ziemlich steif wirkt, sollte man sich erst gewöhnen! Die Fenster lassen sich nur hochklappen und wieder runterziehen. Die Fahrtasten sind hier wenigstens griffgünstig in der Mitte platziert. Die Geräuschkulisse im Wagen ist wegen der nur mäßigen Dämmung nicht gerade gering. Soll der Innenspiegel verstellt werden, muss man sich ziemlich weit nach vorn beugen. Die zu kleinen Außenspiegel können den toten Winkel nur sehr eingeschränkt erfassen, was bei uns zu einigen kritischen Situationen etwa beim Fahrstreifenwechsel oder beim plötzlichen Ausweichen geführt hat. Die Einstrahlung der Sonne durchs große Glasdach kann ohne Abdeckung doch stark blenden, andererseits bietet dieses Dach bessere Sicht beim Halt unter (Hoch-)Ampeln.
Mal die Beifahrer-, mal die Fahrerseite. Überhänge fehlen fast ganz.
Mitleid oder Freude
Ja, viele haben uns nachgeschaut. Ob freilich das Schmunzeln Ausdruck von Mitleid gewesen ist – oder doch eher von Freude über mehr Nachhaltigkeit in Form eines Rundaugen-Elektrowürfels, mit dem man tatsächlich fahren kann?
Datenblatt
Motor: Elektro. Leistung: 6/8,2 kW/PS. Maximales Drehmoment: 44 Newtonmeter. Beschleunigung: 10 Sekunden von 0 auf Tempo 45. Höchstgeschwindigkeit: 45 Stundenkilometer. Batterie: Kapazität/Nennkapazität 7/5,4 Kilowattstunden. Ladezeit: Vier Stunden bei 2,3 Kilowatt Wechselstrom komplett von 0 auf 100 Prozent. Reichweite: Kombiniert 75 Kilometer pro 100 Kilometer. Verbrauch: 7,2-8 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Grundpreis: Jeweils 9890 Euro .
KoCom/Fotos: Günther Koch
4. Juli 2024