Mittwoch, 24. April 2024

FB Logo für GK 1

GALERIA REISE Alla Marinara: Am Golf von Neapel. Foto: Michael-Müller-Verlag
GALERIA REISE In Lindgrens Heimat Südschweden. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE In der (Süd-)Pfalz an der Weinstraße entlang. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Die Bretagne ist Frankreichs nordwestlichste Region. Foto: Michael-Müller-Verlag
GALERIA REISE Freilichtmuseum Bad Sobernheim zeigt das Leben, Wohnen und Arbeiten früher. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE In den schottischen Highlands: Kelten, Kilt und Whisky. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Über geflügelte Löwen, trutzige Festungen und eine Märtyrerin in Istrien. Foto: Rainer Waldinger
GALERIA REISE Ein Italiener in der Provinz / Vom Comer See nach Deutschland ausgewandert. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Zwischen Burgwald und Wollenberg weist Wetter eine lange Geschichte auf. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Heimat Hunsrück: Auf den Spuren einer filmischen Familiensaga. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Bedeutende Frauen in 800 Jahren Marburger Stadtgeschichte. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Am Point Alpha in der Rhön: Eine deutsch-deutsche Geschichte. Foto: Günther Koch
GALERIA REISE Biegung für Biegung: Deutschland ist schön - an der Mosel entlang. Foto: Günther Koch

Gute Reise!

"Eine Dame lebt in Venedig, / die ist mit achtzig noch ledig. / Sie beklagt sich nicht, / sie lächelt und spricht: / „Vielleicht war das Schicksal mir gnädig.“

Die Limericks, die Sie an dieser Stelle immer lesen, stammen alle von Ole Haldrup. Sein „Buch der Limericks“ (2003), dazu „Lirum, Larum, Limerick“ (2004) und „Das Geheimnis der fünften Zeile" (2007) sind zu beziehen über: Nereus-Verlag, Susanne Happle, Johann-von-Werth-Straße 6, 79100 Freiburg, Telefon 0761-403802, nereus-verlag @gmx.de. (gk)

Auf ungewohnten Pfaden

Die Slowakei ist oft noch unentdeckt / Nach Bratislava und durch die Kleinen Karpaten

Von Günther Koch/Life-Magazin

 

Der heilige Urban ist der Schutzpatron der Winzer auch in der Slowakei. Foto: Koch

Bratislava – Enger können die Hauptstädte zweier Länder in der Tat eigentlich kaum beieinander liegen wie Wien in Österreich und Bratislava in der Slowakei. Gerade einmal rund 55 Kilometer Luftlinie sind es, die beide voneinander trennen oder sie miteinander verbinden.

Im Drei-Länder-Eck

Die letzten Spätsommer-Tage im September. Auch der Frühherbst kündigt sich sonnig an. Wir sind im Drei-Länder-Eck Österreich-Slowakei-Ungarn unterwegs. Wo Niederösterreich hinter Wien ins Burgenland übergeht. Wo sich Richtung Süden das Wiener Becken zur Pannonischen Tiefebene weitet. Wo sich mit dem nahen Neusiedler See – ähnlich dem Plattensee in Ungarn – eines der wenigen Steppenflachgewässer Europas befindet. Wir fahren vom Wiener Flughafen Schwechat über die A4 an Bruck an der Leitha vorbei, biegen danach auf die A6 zur slowakischen Grenze ab. Ganze Heerscharen von Windrädern säumen den Weg. Weil das Land so flach ist, kann der Wind, wenn er denn bläst, hier richtig heftig wehen. Noch in Österreich ist schon die Silhouette von Bratislava, dem früheren Pressburg, deutlich zu sehen im äußersten Südwesten der Slowakei, jenem von Touristen oft noch unentdeckten Land, in dem man immerhin davon ausgeht, geographisch an einem der Mittelpunkte Europas zu liegen.

Durch die Kleinen Karpaten

Wir wagen den Sprung auf ungewohnte Pfade, umfahren Bratislava aber erst einmal westlich. Vom Ufer der Donau steigen die vermeintlich geheimnisvollen Karpaten auf, wenn auch in diesem Fall nur die kleinen. Bloß wenige Kilometer hinter der slowakischen Hauptstadt sollen bereits Braunbären in freier Wildbahn vorkommen, klärt uns zumindest unser Reiseführer auf. Etwa 35 Kilometer nördlich von Bratislava in Richtung Tschechien erreichen wir Malacky und die Region Záhorie, was übersetzt soviel wie „hinter den Bergen“ bedeutet. Ein Teil dieser Gegend ist militärisches Sperrgebiet. Wir kommen durch Wälder, die meist Übungsgelände sind. Hier finden Schießübungen statt, Panzer fahren. Die Luftwaffenbasis, auf der die verschiedensten Militärflugzeuge starten und landen, ist von öffentlichen Straßen aus einsehbar. Die Tore an den Zufahrten der Militärareale sind nur selten geschlossen. „Wenn sie es sind, sollten Sie keinesfalls versuchen hineinzugelangen“, werden wir gewarnt, „dann üben die Soldaten mit ihren Waffen – und das ist alles andere als Spaß!“

In der Sahara von Záhorie

Die sandigen Böden fallen auf. Kein Wunder, dass selbst Teilnehmer der Rallye Dakar in den Dünen der Sahara von Záhorie trainieren. „Während des Zweiten Weltkriegs“, erfahren wir, „haben die Deutschen sogar hier ihr Afrika-Korps ausgebildet.“ Ein paar Kilometer nördlich der Route liegt Skalica. Hier soll Schuhmacher Tomas Bata (1876-1932), Unternehmer und Begründer des Bata-Konzerns, angeblich der größte Schuhhersteller der Welt, einst Braunkohle aus seinen eigenen Minen nach Otrokovice im heutigen Tschechien transportiert haben, indem er einen ausgedienten Bewässerungskanal dazu nutzte und spezielle Vorrichtungen zum Abkippen der Kohle installieren ließ. Der Kanal, inzwischen nach Bata benannt und längst nicht mehr zum Kohletransport bestimmt, gilt heute als Touristenattraktion für Bootsausflüge auf dem Wasser.

Im Weinanbaugebiet rund um Dolany

Nach Plavecky Mikulas, Plavecky Peter und Buková sind wir bei Trstin auf der östlichen Seite des Karpatenausläufers angelangt. Das Schloss in Smolenice war früher eine mittelalterliche Burg, errichtet im 14. Jahrhundert, danach rund 400 Jahre lang bewohnt, im 19. Jahrhundert verlassen und niedergebrannt. Später errichteten die Eigentümer ein herrschaftliches Anwesen auf den Ruinen. Heute ist Schloss Smolenice Teil der Akademie der Wissenschaften des Landes mit Lesungen und Konferenzen. Wer will, kann sich in den historischen Mauern aber auch das Ja-Wort geben, so zum aufwändigen Unterhalt der Anlage beitragen – und anschließend vielleicht durch das Weinbaugebiet am Rand der Kleinen Karpaten um Dolany spazieren, in dem fast 120 Orte in zwölf verschiedenen Gegenden Trauben anbauen und auf einer Fläche von knapp 5360 Hektar Weinberge bewirtschaften. Das Weingut Pezinok weiter südlich an der Strecke hat früher das beliebte alkoholfreie Traubengetränk Vinea hergestellt, die Rechte dann aber an Kofola verkauft, an den größten Coca-Cola-Konkurrenten in der Slowakei.

Über die einstige Pezinská-Baba-Rennstrecke

Die Pezinská-Baba-Rennstrecke inmitten der Kleinen Karpaten, die wir westlich auf dem Weg von Pezinok überqueren, hat zweifellos schon bessere Tage gesehen – als sie zu den Spitzenveranstaltungen der europäischen Bergmeisterschaften zählte. 5,1 Kilometer lang, 19 Kurven. „In diesem goldenen Zeitalter“, erinnern sich ältere Slowaken, „platzte das Fahrerlager aus allen Nähten, die Zuschauer beugten sich über die Absperrungen, an jeder Bande drängten sich die Fotografen.“ Der Asphalt sei glatt gewesen, die Atmosphäre spannungsgeladen, der Kurs schnell und technisch anspruchsvoll. Alle Mühen waren vergebens: Der Motorsport kam nicht mehr zurück. Start und Ziel sind erhalten. Und tagtäglich soll es ein paar Helden geben, die in privaten Rennen offenbar den Streckenrekord brechen wollen. „Manche sogar in Kleinlastern.“

Zur Burg Devin oder zur Rogggeninsel

Wer will, kann einen Abstecher zur Burg Devin machen, die auf Münzen zu sehen ist und zu Zeiten des Kommunismus Zeuge war, als Menschen das totalitären Regime auch in der Slowakei hinter sich lassen wollten, „während die Polizei auf sie schoss und Leben zerstörte", lesen wir im Reiseführer: "Die Burg sah, wie die Überlebenden versuchten, über die Morava zu schwimmen, die nahe der Burg in die Donau mündet, andere sprangen von Booten, um der roten Ideologie zu entkommen.“ Ein weiterer Ausflug lohnt zur Schütt- oder Roggeninsel, umsäumt von der großen, der kleinen und der Waager Donau. Unter ihr soll sich eines der größten Trinkwasservorkommen Zentraleuropas befinden. Einheimische behaupten, man brauche nur einen Finger in den fruchtbaren Boden dieser großen Flussinsel zu stecken – und schon sprudelt ein Brunnen ...

Die Schöne an der Donau

Dann endlich Bratislava! Die Schöne an der Donau, Krönungsort von Königen und Königinnen. Die mächtige Burg, die über der Stadt thront, heute als Repräsentationsgebäude des Parlaments dient und Ausstellungsstücke des slowakischen Nationalmuseums beherbergt. Der Martinsdom mit seinen imposanten Türmen. Das 1886 eröffnete Nationaltheater im historischen Gebäude. Alte Straßenbahnen, die über die Gleise rumpeln. Schmale Häuser. Wasserspiele an fast jeder Ecke. Das Präsidentenpalais Grassalkovich. Die auf dem Kopf stehende futuristische Pyramide. Der architektonisch ungewöhnliche Fernsehturm. Das coole Ufo-Restaurant hoch oben über der Donau auf einem Brückenpfeiler. Dazu unterirdische Mysterien, Katakomben und verborgene Plätze, zu denen es jede Menge Legenden gibt. Zum Beispiel die, dass die Tunnel der Stadt angeblich bis nach Wien führen.

Vom Soldaten bis zum "Glotzer"

Auf dem zentralen Hlavné-Námestie-Platz in der Altstadt beobachtet ein napoleonischer Soldat aus seinem Wachhäuschen heraus verschmitzt die Touristen. An Ignác Lamár erinnert das Denkmal für einen Mann, der stets elegant mit Zylinder und Anzug aufgetreten sein, jeden auf freundlichste Art und Weise mit einer Verbeugung begrüßt haben, Komplimente an Frauen verteilt, Gedichte rezitiert und Blumen verschenkt haben soll. Wohl am meisten fotografiert sein dürfte freilich die aus einem offenen Kanaldeckel lugende Bronzestatue, ein „Voyeur“ oder „Mann bei der Arbeit“, von den Slowaken aber einfach nur „Cumil“ genannt, „Glotzer“.

Blaulicht direkt an der Grenze

Wir quartieren uns direkt an der Donau im Grand River Park ein. Im früheren Kempinski findet an diesem Abend der Empfang eines slowakischen Senders statt. Selbst der Präsident soll zugegen sein. Wir fahren zum Dinner jedoch lieber zum Danubiana Meulensteen Art Museum für zeitgenössische Kunst auf einer Halbinsel in der Donau bei Cunovo. Ehe wir jedoch dorthin abbiegen, sehen wir schon die blauen Lichter von Polizeiwagen blinken. Wir sind hier direkt an der nächsten Grenze. Gleich gegenüber beginnt Ungarn. Über das Drei-Länder-Eck versuchen Flüchtlinge auch in diesen Tagen noch immer wieder, weiter vor allem nach Mittel- und Nordeuropa zu kommen.

Info Slowakei I

Die Slowakei, fast 430 Kilometer von West nach Ost, knapp 200 von Nord nach Süd, zuletzt gut 5,4 Millionen Einwohner, davon etwa 420 000 in der Hauptstadt Bratislava, grenzt an Österreich, Tschechien, Polen, die Ukraine und Ungarn an. Das Land, zunächst slawisch besiedelt, dann zum Königreich Ungarn, später zur Habsburger-Monarchie und zu Österreich-Ungarn gehörend, war bis 1992 Teil der Tschechoslowakei, ist seit 1993 unabhängig und seit 2004 in der Europäischen Union. Amtssprache ist Slowakisch, Landeswährung der Euro. Klimatisch geht es gemäßigt zu mit warmen Sommern im flacheren Süden und strengeren Wintern in der gebirgigeren Mitte und im Norden, etwa in der bis über 2650 Meter hohen Tatra. Die Slowakei, im Süden von der Donau durchflossen, in der Mitte vom westlichen Karpatenbogen durchzogen, verfügt über viele Nationalparks und andere Schutzgebiete. Es gibt zahlreiche Höhlen. Heilbäder haben im Land der Burgen und Schlösser Tradition. Wander-, Winter- und Jagdurlaub spielen touristisch eine größere Rolle. Hersteller wie Volkswagen, Peugeot/Citroen, Hyundai/Kia und Toyota lassen Autos in der Slowakei produzieren.  

Info Slowakei II

Wir waren in Bratislava im Grand Hotel River Park (fünf Sterne, 231 Zimmer/Suiten, gehobene Ausstattung, in der Innenstadt am Fuß des Burgbergs direkt an der Donau gelegen, www.grandriverpark.com) untergebracht. Im Weindorf Dolany am Ostrand der Kleinen Karpaten können wir den B-Club (klassisches Restaurant für Biker, authentische Deko, www.bclub.sk) empfehlen. Tipp: Unbedingt Trdlenik-Gebäck dort probieren! Die Landesküche ist tschechisch, ungarisch und österreichisch geprägt, basiert meist auf Schweinfleisch, Kartoffeln und Gemüse, vor allem Sauerkraut. Als Nationalgericht gelten die mit Bryndza-Schafskäse und Speck servierten Brimsennocken-Klöße. Bekannte Biere sind Corgon, Stein, Scaris, Topvar und Zlaty Bazant, meistangebaute Weine Blaufränkischer, Riesling und Tokajer, beliebte Schnäpse Wachholder-Borovicka, Slivovica, Aprikosen/Marillen-Marhulovica und Apfel-Jablkovica. Information: Slowakische Zentrale für Tourismus, Hildebrandstraße 25, 10785 Berlin, Telefon 030-25942640, www.slovakia.travel/de.

Service Auto

Mit dem Auto reist man von Deutschland aus am besten nördlich über Tschechien oder südlich über Österreich an. Von Brünn sind es noch rund 130 Kilometer bis nach Bratislava im Südwesten des Landes, von Wien etwas über 80. Innerhalb geschlossener Ortschaften ist Tempo 50 erlaubt, außerhalb 90, auf Autobahnen 130. Am Steuer herrscht absolutes Alkoholverbot. Bratislava ist Bahnknotenpunkt. Auf der Donau verkehren kleinere Kreuzfahrtschiffe. Der Flughafen der Stadt ist zuletzt vor allem vom Billigflieger Ryanair genutzt worden. Bis zum größeren Flughafen Wien sind es über die Autobahn etwas mehr als 65 Kilometer.

KoCom/Fotos: Günther Koch/Opel

30. September 2015