Freitag, 26. April 2024

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Gute Reise!

"Eine Dame lebt in Venedig, / die ist mit achtzig noch ledig. / Sie beklagt sich nicht, / sie lächelt und spricht: / „Vielleicht war das Schicksal mir gnädig.“

Die Limericks, die Sie an dieser Stelle immer lesen, stammen alle von Ole Haldrup. Sein „Buch der Limericks“ (2003), dazu „Lirum, Larum, Limerick“ (2004) und „Das Geheimnis der fünften Zeile" (2007) sind zu beziehen über: Nereus-Verlag, Susanne Happle, Johann-von-Werth-Straße 6, 79100 Freiburg, Telefon 0761-403802, nereus-verlag @gmx.de. (gk)

Deutschstunde

Deutschland ist schön: Havelland (IV) / In Ribbecks alter Schule wird Geschichte wieder lebendig

Von Günther Koch/Life-Magazin

Historie in Ribbecks alter Schule. Foto: Havelland-Tourismus/Förderverein Alte Schule Ribbeck

Ribbeck – Das ist wirklich noch alte Schule! Und im Grunde braucht es gar nicht so viel dazu: Ein kleines Dorf, einen großen Dichter, eine  Familiengeschichte aus früheren Zeiten, die sich gut in Versform erzählen lässt – und schon wird sogar eine alte Schule, mittlerweile zum Café umfunktioniert, für Heimische und Auswärtige interessant.

Direkt am Gutsanger des 300-Seelen-Dorfen

Ribbeck in Brandenburg. Den nach dem berühmten Theodor-Fontane-Gedicht eigentlichen Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, in dessen Garten einst ein Birnbaum stand, gibt es längst nicht mehr. Aber die Nachfahren leben noch. Und der alte Gutsanger breitet sich nach wie vor in der Mitte des nur noch gut 300 Seelen zählenden Ortes aus.

Danach noch Laden und Wohnhaus für Familien

Auf der einen Seite das frisch herausgeputzte Schloss. Am oberen Ende die kleine Dorfkirche mit dem Originalstumpf des 1911 bei einem Sturm umgeworfenen legendären Baums über der Ribbeckschen Gruft. Und schräg gegenüber das Gebäude, das erst, 1841 vom damaligen Herrn von Ribbeck auf eigene Kosten erbaut, eine Schule und dann, als es die DDR noch gab, ein Laden der Konsum-Handelsorganisation (HO) war. Zwischenzeitlich wohnten auch Familien in dem Haus.

Seit 2006 schon von einem Förderverein betrieben

Es ist nicht viel los an diesem Mittwoch am frühen Nachmittag. Wir sind unsicher, fragen, weil wir offenbar die einzigen Gäste sind, ob das Café überhaupt geöffnet hat. Es ist Teil der seit 2006 von einem Förderverein betriebenen Alten Schule, zu der noch ein historisches Klassenzimmer und die Fahrradstation LandRad nebenan gehören.

Speisekarte des Cafés als Deutschheft aufgemacht

Wir bestellen selbstverständlich ein Stück Birnenstreusel mit einer Tasse Kaffee dazu. Die Speisekarte, auf der „Schulspeisung“ steht, ist als altes Deutsch-Schulheft noch mit Linien aufgemacht. Es gehört einem Mädchen, das Luzie heißt, mit Nachnamen Birnbaum natürlich, und in die dritte Klasse geht. Die Deutschstunde in Ribbeck beginnt.

Ribbecks Liebling und dazu noch Luzies Kartoffelpuffa

Spirituosen wie „Schulmeisters Schluck“, der aus Birnensaft und Birnenbrand besteht, oder Williams Christ sind allerdings „Nur für Erziehungsberechtigte und Großeltern“ da! Den Birnenlikör hinter „Ribbecks Liebling“ hat Luzie leider mit o (statt mit ö) geschrieben. Im Frühstück fehlt das h in der Mitte, was am Rand den Vermerk „Besser aufpassen“ eingebracht hat. Der Kartoffelpuffa (statt Kartoffelpuffer) ist mit „Hilfe!!!“ quittiert. Auch Butta (statt Butter), Krauterquark (statt Kräuterquark), Rotwien (statt Rotwein), Berliner Wieße (statt Berliner Weiße)  und nochmal der Likor mit o (statt mit ö) sind angestrichen, diesmal freilich bei dem mit Pfefferminz im „Heißen Theodor“.

Von der Jurke bis zum Latte Macchiato

Aus der Gurke hat Luzie berlinerisch eine Jurke gemacht. „Meine Güte“ steht mit Ausrufezeichen hinter Pikkolo (statt Piccolo). Dafür gibt‘s beim mit drei c falsch geschriebenen Latte Macchiato trotzdem ein „Toll!“ gleich hinter dem Wort. Und unten auf der Seite ist „Ganz ordentlich, gut so“ zu lesen.  Abgesehen von den Rechtschreib- und anderen Fehlern hat Luzie ein „Gut = 2“ für ihre Schrift bekommen. „Schön Luzie, mach weiter so“, lobt die Lehrkraft namens Bockelmann.

Ein nicht unbedeutender Teil der Geschichte des Ortes

Der Förderverein will mit seinem Engagement an die Geschichte der Dorfschulen im Havelland erinnern und so einen nicht unbedeutenden Teil der Geschichte Ribbecks bewahren. Denn neben Gutshaus und Kirche habe es eben immer auch die Schule gegeben. Alle kleinen Dorfbewohner hätten sie besucht und „mehr oder weniger Wichtiges“ gelernt. Auf Wunsch und Einverständnis der königlich-preußischen Regierung habe Gutsherr Ribbeck sie damals mit eigenem Geld errichten dürfen. „Darauf“, so der Förderverein, „legte Potsdam besonderen Wert.“  Bis 1968 sind die Kinder aus dem Dorf in diese Schule gegangen. Horst Köhler war 2009 als Bundespräsident einmal da, hat hinterher im Klassenbuch notiert: „Hier erleben wir Geschichte.“

Ein Rundgang durch das historische Klassenzimmer

Wir schauen uns im historischen Klassenzimmer um. Ein Willkommensgruß in altdeutscher Sütterlinschrift. An den Wänden alte Aufnahmen von Schulklassen mit ihren Lehrern. Davor Vitrinen, in denen Bücher von früher stehen. Das Mobiliar in der Mitte aus Holz. Stühle, auf einem ein alter Schulranzen aus Leder mit zwei Trageriemen für den Rücken. Auf den Zweiertischen kleine Schiefertafeln zum Schreiben. Für die Biologiestunde vorn ein ausgestopfter Dachs, an der Seite Abbildungen von Fischen, hinten das Schaubild eines Menschen, auf dem dessen Sehnen, Muskeln und Gelenke zu sehen sind. Neben dem Lehrerpult eine große Karte für Erdkunde.

Unterricht wie damals mit Tintenklecksen und Eckenstehen

„Nur wenig ist mir davon in Erinnerung geblieben“, lässt der Förderverein, Stichwort historisches Klassenzimmer, wohl Theodor Fontane, „eine große Stube mit einer schwarzen Tafel“ aufzählen, „stickige Luft trotz immer offenstehender Fenster und zahllose Jungens in Fries- und Leinwandjacken, ungekämmt und barfüßig oder aber in Holzpantoffeln, die einen furchtbaren Lärm machten.“ In Ribbecks alter Schule kann Unterricht wie damals abgehalten werden. Dabei geht es um Tintenkleckse, Eckenstehen, Spickzettel, Buchstaben mit korrektem Neigungswinkel, um Musik im Jahr 1900 sowie um Fontane und Birnen.

„Der wusste schon, warum er sich gut mit ihnen stellte“

„Nun sehen Sie sich nur diese kleinen Quälgeister an, so haben die sicher auch ausgesehen, als der alte Ribbeck ihnen die Birnen geschenkt haben soll. Der wusste schon, warum er sich gut mit ihnen stellte.“

Info Ribbeck

Der kleine Ortsteil von Nauen im brandenburgischen Havelland ist 1375 urkundlich erstmals mit den Ribbecks und deren Rittergütern erwähnt. Der letzte Gutsherr aus dem Hause starb 1945 im Konzentrationslager Sachsenhausen. Fontanes berühmtes Gedicht geht auf eine 1875 von Ribbeck-Enkelin Hertha von Witzleben verfasste Ballade zurück. Die Alte Schule von Ribbeck liegt direkt am alten Gutsanger mitten im Dorf. Wer an einem Unterricht von damals teilnehmen will: Förderverein Alte Schule Ribbeck, Am Birnbaum 3, 14641 Nauen/Ortsteil Ribbeck, Telefon 033237-85458, www.alteschule-ribbeck.de. Bis Potsdam sind es von Ribbeck aus etwa 40, bis Berlin etwa 50 Kilometer. Wir waren im Resort Schwielowsee (Vier-Sterne-Superior-Anlage, 156 Suiten-, Zimmer-, Apartment- und Pfahlhaus-Einheiten, www.resort-schwielowsee.de) untergebracht. Information: Tourismusverband Havelland, Schloss Ribbeck, Theodor-Fontane-Straße 10, 14641 Nauen/Ortsteil Ribbeck, Telefon 033237-859030, www. havelland-tourismus.de.

Service Auto

Ins Havelland reist man mit dem Auto am besten über die A2 Hannover-Berlin, die A9 Nürnberg-Berlin, die A10 und den Berliner Ring oder die A24 Hamburg-Berlin an. Ab Wustermark geht es über die Bundesstraße 5 an Nauen und Berge vorbei nach Ribbeck. Werder ist Bahnstation. Die nächsten Flughafen sind Tegel und Schönefeld in Berlin. Mit dem Boot oder Schiff gelangt man auf dem Wasserweg von Elbe, Oder und Spree in die Potsdamer und Brandenburger Havelseen oder die Flusslandschaft der unteren Havelniederung.

Havelland-Serie

Lesen Sie im Rahmen unserer „Deutschland ist schön“-Serie über das Havelland ebenfalls im Reiseteil dieses Life-Magazins in den anderen Teilen noch über die Gegend rund um die Blütenstadt Werder, über das Resort Schwielowsee als Übernachtungsmöglichkeit, über die Küche der Region und natürlich über den Herrn von Ribbeck auf Ribbeck und die Sache mit den Birnen. Ein Besuch in Potsdam und ein Ausflug nach Berlin runden die Serie demnächst noch ab.

KoCom/Fotos: Havelland-Tourismus/Förderverein Alte Schule Ribbeck

17. August 2017