Mittwoch, 24. April 2024

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Gute Reise!

"Eine Dame lebt in Venedig, / die ist mit achtzig noch ledig. / Sie beklagt sich nicht, / sie lächelt und spricht: / „Vielleicht war das Schicksal mir gnädig.“

Die Limericks, die Sie an dieser Stelle immer lesen, stammen alle von Ole Haldrup. Sein „Buch der Limericks“ (2003), dazu „Lirum, Larum, Limerick“ (2004) und „Das Geheimnis der fünften Zeile" (2007) sind zu beziehen über: Nereus-Verlag, Susanne Happle, Johann-von-Werth-Straße 6, 79100 Freiburg, Telefon 0761-403802, nereus-verlag @gmx.de. (gk)

Mit Laimas Glück

In Lettlands stylischer Hauptstadt Riga (I) / Fremde Herrscher, Jugendstil und das Holpern auf der Straße

Von Günther Koch/Life-Magazin

Im Zentrum ist Riga eine überaus schmucke Stadt. Die Häuser sind gut erhalten. Fotos: Koch

Riga – Nach dem Land jetzt die Stadt, Teil eins: „Wir lieben Riga“, sagen Jekaterina Pogrebnaya und Olga Procevska. Die uns vorher schon – Titel „Inmitten des Baltikums“ – für eine Opel-Fahrvorstellung ihre Heimat vorgestellt haben. Die Lettlands stylische Hauptstadt, in der sie leben, mögen. Wegen der singenden Straßenbahnen während der Songfestivals. Wegen der gemütlichen Sonntage, „an denen es egal ist, ob man versehentlich in Pantoffeln das Haus verlässt“. Wegen des Schwimmens am frühen Morgen. Wegen des Joggens zum Sonnenuntergang. „Wir lieben es.“ Und warum noch?

Straßenbahnen gehören zum Bild der Stadt. Auch Film- und Kinokultur spielen eine wichtige Rolle. 

Eine Menschenkette für Bücher

Da ist Rigas Geschichte. Anfang des 13. Jahrhunderts von deutschen Kaufleuten und Kreuzrittern gegründet. Im 17. Jahrhundert größte Stadt Schwedens. Danach drittgrößte im russischen Reich. „Riga war schon immer multikulturell.“ Bis heute seien die Einflüsse von Deutschen, Russen, Juden und Letten sichtbar. In Parks. An Gebäuden. Im kulturellen Leben. Als Namen für ihre Nationalbibliothek in der Hauptstadt haben die Letten ein Lied gewählt: Gaismas pils. Es ist Januar 2014. Rund 14 000 Einwohner bilden eine Menschenkette, tragen zuvor noch über verschiedene Gebäude verteilte Bücher ins neue „Schloss des Lichts“. Das Jahr kann beginnen. Mit Riga als Kulturhauptstadt Europas. In der Terra Mariana. Marias Land. Dem mittelalterlichen Livonia. Damals schon mit Riga als Haupt-, Hanse- und Handelsstadt.

Das Schachspiel ist ebenfalls in Lettland weit verbreitet. Bekannt ist Riga für seine Jugendstilarchitektur.

Das Schloss, der Dom und diese Schokolade

Da sind Rigas Straßen. Die wegen der vielen unterschiedlichen Herrscher häufiger umbenannt werden mussten. Wie die Brīvības-Straße, die vorher auch schon Lenin-, davor Alexander-Straße gewesen ist. Die Merķeļa iela ist übrigens nach dem deutsch-baltischen Schriftsteller Garlieb Helwig Merkel benannt. Nicht nach der deutschen Bundeskanzlerin. Wie ein Besucher aus Deutschland zunächst glaubt: „Da, die Angela!“ Da ist das Schloss. Ab 1330 errichtet, wiederholt zerstört, immer wieder neu aufgebaut, In das deutsche, polnische, schwedische und russische Führer eingezogen sind. Ehe der lettische Präsident es 1922 zu seinem Sitz gemacht hat. Da ist der über 800 Jahre alte Dom. Mit einer Orgel aus 6718 Pfeifen. Die einen nur 13 Millimeter, die anderen bis zu zehn Meter lang. Da ist, ungewöhnlich für ein so kleines Land, die Oper. Da ist, auf der Aspazijas-Straße am Eingang zur Altstadt, seit 1924 diese Uhr. „Die Leute“, sagen Jekaterina und Olga, „mussten die Uhrzeit wissen, da damals nicht jeder eine Armbanduhr besaß.“ Da ist überhaupt diese Schokolade, die wie ihr Hersteller und eben diese Uhr den Namen der auch fürs Glück zuständigen baltischen Schicksalsgöttin trägt: Laima.

Schilder weisen in Riga zweisprachig den Weg. Mihails Tals war ein lettischer Meister im Schach.

Einst sogar eigenes Gefängnis für Steuerhinterzieher

Da ist der Rathausplatz. Im 13. Jahrhundert angelegt. Zum Feiern von Festen. Für religiöse Veranstaltungen und sportliche Wettkämpfe. Zur Hinrichtung von Kriminellen. Wo 1510 angeblich der erste Weihnachtsbaum aufgestellt worden ist. Mit einem eigenen Gefängnis für Steuerhinterzieher unterm Rathaus. Wo heute die Kunstgalerie ist. Mit dem Haus der Schwarzhäupter, das der Vereinigung junger unverheirateter Kaufleute zugeordnet wird. Da ist, in der Straße mit dem Namen Meistaru, das Haus mit Haltung. Von dem erzählt wird, dass sein reicher Besitzer, ein lettischer Kaufmann, sich von seiner Gilde gekränkt gefühlt habe. Wegen der nur zugelassenen deutschen Kaufleute. „Er gab die Fertigung von zwei Katzen aus Kupfer mit Katzenbuckel und erhobenem Schwanz in Auftrag, ließ diese auf seinem Haus anbringen, sodass ihr Hinterteil zum Gebäude der Gilde zeigte“, fassen Jekaterina und Olga zusammen, was am Ende daraus geworden ist: „Die Botschaft kam an, die Gilde zwang Rigas Stadtrat, den Kaufmann dazu zu bringen, die Katzen umzudrehen.“

In den Parks lässt sich die Sonne genießen. Die Geburtskathedrale ist russisch-orthodox.

Tschechische Trams und belgisches Pflaster

Da ist das Holpern in der Stadt. Mit den älteren tschechischen Tatra-Straßenbahnen vielleicht als Grund dafür. Trams, die ersten von Pferden gezogen, gehören jedenfalls seit 1882 zum Bild der Stadt. Und die modernen mit Panoramafenstern kommen wieder aus Tschechien. Vom Autobauer Škoda. Oder das belgische Kopfsteinpflaster wie auf der von kleinen Cafés gesäumten Friedensstraße Miera ist schuld daran. Die weniger komfortablen Straßen sollen heimische Damen freilich nicht davon abhalten, „zu jeder sich bietenden Gelegenheit hohe Absätze zu tragen“. Womit sie in der Antonijas- oder Ausekļastraße dann unter Umständen auch vorbei an Rigas berühmter Jugendstilarchitektur stöckeln. An Meisterwerken aus dieser Zeit mit dekorativen, meist der römischen oder griechischen Mythologie entlehnten Motiven. In der Elizabetes- und Albertastraße von Michail Eisenstein geschaffen. Des Architekten, der einst mit seiner Scheidung auch für einen Skandal im Riga jener Tage gesorgt habe: Die Abbilder einer Leidenden an der Fassade des Hauses mit der Nummer 10b in der Elizabetesstraße sollen nämlich, so heißt es, seine Frau zeigen. Die Position des Gesichts so gewählt, dass die Balustrade direkt in der Wange ende ... „Was wohl“, fragen Jekaterina und Olga, „Sigmund Freud dazu sagen würde?“

Die Landesflagge ist rot-weiß-rot. Der Löwenkopf gehört zu einer Skulptur am Vērmanes-Park im Zentrum.

Nur noch Fragment der alten Stadtmauer

Apropos Holpern, und zwar extrem: Da ist auch noch die Straße Mūrnieku (für Maurer). Im Grīziņkalns-Viertel. 210 Meter lang. Einst Wohnort für Arbeiterfamilien. Die Kleine-Leute-Gegend. Mit Holzhäusern. Grünen Höfen. Und der Skulptur „Maurer- und Schornsteinfeger“ im Hof des Hauses Nummer 3. Als beliebter Platz für Hochzeitsfotos. Ja, finden die beiden jungen Rigaerinnen, es sei schwer vorstellbar, dass vor nur 150 Jahren der Kanal die Stadtgrenze markiert habe. Riga sei offiziell eine Festung gewesen. Mit kleinen Holzhäusern als einzigen Gebäuden außerhalb der Mauern. „Bei Angriffen auf die Stadt sind diese Häuser angezündet worden, um freie Sicht zum Schutz der Festung zu haben.“ Die Mauern seien schließlich abgerissen worden. Und Riga habe sich in wenigen Jahrzehnten zur am schnellsten wachsenden Stadt damals im Russischen Reich entwickelt. Ein einziges Fragment der Mauern ist noch zu sehen. In der Torņastraße. In der Altstadt.

Info Riga I

Lettlands Hauptstadt ist mit 700 000 Einwohnern die größte Stadt im Baltikum, wozu, alle an der Ostsee gelegen, auch noch Estland im Norden und Litauen im Süden gehören. Die Altstadt erstreckt sich am Unterlauf der Düna, lettisch Daugava. Die nördlichen Vorstadtbezirke liegen bereits an der Riager Bucht. Das Hinterland im Süden und Westen ist relativ dünn besiedelt. Es gibt ausgedehnte Moore und Sümpfe, viele kleine Seen und Bäche. Sanddünen haben das einst ausgedehnte Ödland im Osten und Norden geprägt. Städte wie Līgatne, Cēsis und Sigulda oder der Badeort Jūrmala direkt an der Küste lohnen einen Ausflug. Saulkrasti und Vecāķi warten mit wilden, einsamen Stränden auf. Bis zum Kemeri-Nationalpark sind es 50 Kilometer. Der Flug nach Riga dauert etwa von Frankfurt/Main aus weniger als zwei Stunden. Zur Einreise reicht der Personalausweis. Amtssprache ist Lettisch. Mit Englisch kommt man in Zentren und touristischen Orten gut weiter. Währung ist der Euro. Der Zeitunterschied zu uns beträgt plus eine Stunde. Es herrscht ein kühlgemäßigtes Ostseeklima mit angenehmen, nicht zu warmen Sommern, aber längeren, feuchteren, kälteren und dunklen Wintern.

Info Riga II

Wir waren in Riga im Hotel Elizabete (vier Sterne, 228 Zimmer/Suiten, Radisson-Blue-Gruppe, geschäftsmäßig-modern eingerichtet, große Glasfassade, zentral am Vērmanes-Park gelegen, www.radissonhotels.com) untergebracht. Als Restaurant können wir in Riga das Koya (https://koyarestaurant.com) empfehlen. Im Badeort Jūrmala hatte zumindest bei unserem Besuch das Orizzonte direkt am Strand noch offen. Die Landesküche ist eine eher deftige etwa mit russischem Borschtsch, anderen kräftigen Suppen, herzhaftem Schweinefleisch, Lamm oder Rind, dazu gebutterten Kartoffeln mit viel Sahne und Beilagen wie Bohnen, Beeren, Pilzen und Kümmelkäse. Eine Spezialität sind die mit Hackfleisch gefüllten Cepelinai-Kartoffelklöße, Schweineschnauze mit Erbsen und Specktaschen, Blinys-Pfannkuchen entweder als Hauptspeise mit Hackfleisch oder als Nachspeise mit Beeren und Quark. Dazu gibt's Kaffee oder starken schwarzen Tee mit Sahne im Glas, gesüßt mit Kirschmarmelade. Lettland ist Bierland. Liebliche bis süße Weine stammen meist aus Georgien oder Russland. Typisch lettisch ist der tiefschwarze Kräuterlikör Rigas Balzams. Internet-Information: www.latvia.travel.

Service Auto

Wer Zeit hat, vielleicht sogar mit dem eigenen Wagen, dem Reisemobil nach Lettland zu fahren: Von Berlin bis Riga sind es noch gut 1060 Kilometer durch Polen und Litauen, eine Strecke, für man in jedem Fall mehr als 14 Stunden reine Fahrzeit einplanen sollte. In Lettland selbst ist in Wohngebieten Tempo 20 erlaubt, innerorts sonst 50, außerhalb 90, auf Autobahnen 110. Die Promillegrenze liegt bei 0,5. Die Reise in Lettland fand lange vor Corona noch mit dem Opel Adam Rocks statt, einem Kleinwagen aus der Baureihe, die die Rüsselsheimer inzwischen aus dem Programm genommen haben. Die meisten Angaben im Text stammen aus einem eigens zur Vorstellung dieses Modells erstellten Magazins. Lesen Sie nächstes Mal im zweiten Teil über Riga, wieder vorgestellt von Jekaterina Pogrebnaya und Olga Procevska, noch über lettische Gurken, „Stalins Geburtstagstorte“, eine Traumfabrik aus Glas – und die göttliche Milda als Symbol der Freiheit.

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KoCom/Fotos: Günther Koch

12. Juli 2020